Klinikapotheker bei der Arbeit
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Was ist passiert seit 2020 - Ein Update

Stationsapotheker und die Pandemiefolgen

Stationsapotheker können im Krankenhaus die Patientensicherheit erhöhen, das ist unstrittig. Die Pandemie hat es diesem neuen Beruf aber nicht einfacher gemacht.

Apothekerinnen und Apotheker in Krankenhäusern haben sich lange Zeit in erster Linie um den Arzneimitteleinkauf und die Arzneimittellogistik gekümmert. Der klassische Krankenhausapotheker agiert weit ab von klinischen Stationen, irgendwo in den Maschinenräumen eines Krankenhauses. Pharmakologische Beratung existiert, aber sie spielt eine untergeordnete Rolle. Soweit das Klischee.
In den Jahren vor der Pandemie hat sich dieses Klischee insofern geändert, als ein neuer Typus des Krankenhausapothekers auf den Plan trat, der Stationsapotheker. Er verlässt den Maschinenraum des Krankenhauses und geht dahin, wo Krankenversorgung stattfindet, ans Patientenbett. Hintergrund dafür war unter anderem, dass der demographische Wandel und ein Trend zu immer mehr Polymedikation dazu geführt haben, dass die Arzneimitteltherapie komplizierter und fehleranfälliger geworden ist: Der Beratungsbedarf ist höher als früher. Stationsapotheker gehen mit auf Visite oder machen eigene Visiten, bei denen sie Medikationsanalysen durchführen und zusammen mit dem ärztlichen Team überlegen, ob und wie sich die Medikationssicherheit verbessern lässt.

Nicht ganz so schnell wie gedacht

Das Ganze hatte vor der Pandemie durchaus Fahrt aufgenommen. Das Land Niedersachsen hatte sogar ein Gesetz verabschiedet, das darauf abzielt, Stationsapothekerinnen und -apotheker flächendeckend zu implementieren. Dann kam die Pandemie. Wie ist es dem neuen Berufsstand seither ergangen? „Die Pandemie hat es schon deswegen schwierig gemacht, weil Stationsapotheker häufig extern zugewiesen werden, und externe Mitarbeiter waren vielfach schlicht nicht erlaubt“, sagt Prof. Dr. Sebastian Baum vom Evangelischen Krankenhaus (EVK) Münster. „Teilweise wurden Projekte eingestellt, teilweise auf telefonische Beratung gewechselt. So gesehen waren die letzten Jahre ein Rückschritt.“
Baum ist Stationsapotheker aus Leidenschaft. Trotzdem merkt man ihm an, dass er mit der Entwicklung etwas unglücklich ist. Stichwort Niedersachsen: „Hier wurde die gesetzliche Verpflichtung insofern ausgehebelt, als die geplante Umsetzung mit 1 bis 2 Stationsapothekern pro 300 Betten, die dann auch vor Ort sind, nie wirklich in Kraft getreten ist.“ Geld ist dafür direkt oder indirekt das Hauptargument. Jenseits von Niedersachsen tut sich bisher ohnehin wenig, zumindest was die gesetzliche Flankierung angeht. Andere Bundesländer haben bis heute nicht nachgezogen.

 

Bundesweit bis Ende des Jahrzehnts?

Baum bleibt dennoch zuversichtlich. Er ist überzeugt, dass sich der Trend nicht aufhalten lässt, zumal in vielen anderen Ländern längst exzellente Erfahrungen mit Stationsapothekern gemacht werden: „Das wird bundesweit kommen. Derzeit ist vorgesehen, dass Stationsapotheker bis Ende des Jahrzehnts auch in den anderen Bundesländern Pflicht werden. Nur das mit der Kopplung an bestimmte Bettenzahlen, das wird schwierig.“
Wie viele Stationsapotheker sind überhaupt nötig? Pauschal lässt sich das nicht sagen, zu sehr hängt es von der Art der Patienten ab. „Dreihundert Intensivpatienten als ein Stationsapotheker zu betreuen, das geht nicht“, so Baum. In anderen, wenig arzneimittelintensiven Bereichen ist das dagegen schon denkbar. Baum selbst betreut in Münster 130 Betten, ein gemischtes Kollektiv mit hohem geriatrischem Patientenanteil. 

Prof. Dr. Sebastian Baum

Prof. Dr. Sebastian Baum ist klinischer Apotheker am EVK Münster und Dozent an der Europäische Fachhochschule Rhein/Erft. Sebastian Baum arbeitet seit Jahren intensiv am Thema "Optimierung des Delirmanagements im Krankenhaus". 

Ein G-BA-Projekt könnte die Stationsapotheker voranbringen

Rückenwind bekommen könnte das Konzept der Stationsapotheker durch das beim Innovationsfonds angesiedelte Projekt „Transsektorale Optimierung der Patientensicherheit“ (TOP), das von Barmer und AOK initiiert wurde und an dem unter anderem der Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker (AKDA) beteiligt ist. Im Rahmen dieses Projekts soll die Arzneimitteltherapiesicherheit im Krankenhaus und nach der Entlassung verbessert werden, wobei einerseits Stationsapotheker, andererseits spezielle Softwarelösungen eine Schlüsselrolle einnehmen.
Das TOP-Projekt ist nicht klein, es läuft an 14 Kliniken in sechs Bundesländern und ist auf vier Jahre angelegt. Da es erst 2022 losging, wird es noch etwas dauern mit den Ergebnissen. Aber es gilt, wie bei anderen Innovationsfondsprojekten: Wenn am Ende der Gemeinsame Bundeausschuss (G-BA) ein Positivvotum abgibt, dann gibt es auch eine zumindest theoretische Verpflichtung, entsprechende Angebote in die Fläche bzw. in die Regelversorgung zu bringen.

„Fortbildungen sind überlaufen“

Günstig für Stationsapotheker wirkt sich auch das Krankenhauszukunftsgesetz aus, dessen Umsetzung in den Krankenhäusern derzeit in vollem Gange ist. „Hierdurch wird die Etablierung von Stationsapothekern spürbar positiv vorangetrieben“, so Baum. Auch die derzeitigen Lieferengpässe könnten Stationsapothekern paradoxerweise in die Karten spielen, da zunehmend Expertise in Sache geeignete und noch lieferfähige Arzneimittel gefragt ist.
Woran die Implementierung von Stationsapothekern in Deutschland in jedem Fall nicht scheitern wird, das ist mangelndes Interesse seitens der Pharmazeutinnen und Pharmazeuten. „Die Fortbildungsprogramme für klinische Pharmazie sind zuletzt ausgeweitet worden, weil die Kurse so überlaufen waren“, berichtet Baum. Attraktiv ist das Stationsapothekerdasein zum einen durch den direkten Patientenkontakt. Zum anderen sehen viele Pharmazeutinnen und Pharmazeuten in den Krankenhäusern attraktive Arbeitgeber, die eine gute Work-Life-Balance bieten können. Dass das die Personalakquise für die Offizin-Apotheken in der ambulanten Welt nicht einfacher macht, ist die Kehrseite. Aber Personal ist im Gesundheitswesen im Moment bekanntlich überall knapp.  
 

Rückblick

Die Situation in 2020

Sie Interessieren sich für den Blick von Prof. Baum auf das Thema "Akzeptanz des Stationsapothekers" im Jahr 2020? Dann lesen Sie auf Seite 5 unseres KLINIK FOKUS 2020, wie die "ersten seiner Art" auf der Intensivstation bei Arzt und Pflegekraft ankamen.

KLINIK FOKUS 2020

KLINIK FOKUS 2020 - Damals im Gespräch Prof. Sebastian Baum zur Akzeptanz des Stationsapothekers bei den ärztlichen und pflegerischen Kollegen auf der Intensivstation.

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